Gute Bücher sind wie Schokolade: sie zergehen einem auf der Zunge und man kann nicht genug von ihnen bekommen. Und manchmal werden wir etwas wehmütig, wenn sie sich dem Ende zuneigen...
Wenden Sie sich mit mir den Schokoladen-Seiten des Lesens zu und entdecken Sie fantastische Kinderbücher abseits des Mainstreams. Immer wieder bespreche ich in diesem Blog Bilderbücher für jüngere und ältere Kinder und beleuchte sie mit Blick auf ihre sprachlichen Schwerpunkte.
Wenn Kinder die Möglichkeit dazu haben, tauchen sie begeistert in die Welt der Bücher ab. Hier können sie in Geschichten Bekanntes wiederentdecken oder in Raum und Zeit reisen und fantastische Welten erkunden.
Mich interessiert, welche Bilderbücher Sie selbst besonders gerne mit den Kindern lesen. Und welche Bilderbücher sind es, die die Kinder von sich aus immer wieder aus dem Regal ziehen?
Begeisterung rennt mit einem neu entdeckten Buch zu einer Freundin. Oder schreibt einen neuen Blog-Eintrag.
Hat uns Novak ein Buch ohne Bilder präsentiert, schenkt uns David Wiesner eines ohne Text. Ganz ohne Worte ist dies trotzdem ein anspruchsvolles Buch. Keines für die Kleinsten (wie „Klopf an!“), sondern eines, dessen komplexe Geschichte entdeckt werden will. Stück für Stück, Seite für Seite, Bild für Bild. Und die sich in all ihren Details erst beim 100. Mal Ganz-genau-Ansehen und Sich-gegenseitig-Erzählen voll entfaltet.
Konstatierte Gertrude Stein vor knapp 100 Jahren „Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“, stellen Beck und Matt Stanton genau das in Frage. Bei ihnen wird der Würfel zum Ball, das Monster zur Prinzessin und der Elefant zum Hund. Warum? Weil es einen Riesenspaß macht!
Thomas Nagel stellte einst die philosophische Frage: Wie ist es für eine Fledermaus, eine Fledermaus zu sein? Fledermäuse nehmen die Umwelt gänzlich anders wahr als wir. Während für uns Menschen der Sehsinn der wichtigste ist, verlassen sich Fledermäuse auf eine Art Echolot-Ortung. Das wissen wir – und doch können wir kaum nachempfinden, wie es wohl wäre, als Fledermaus bei Nacht auf Mottenfang zu gehen. Gut 40 Jahre später stellt Guillaume Duprat die Frage:
„Was sieht eigentlich der Regenwurm?“
Sieht aus wie ein Bilderbuch – ist aber keins. „Dies ist ein Buch ohne Bilder“. So fängt es an. Trotzdem, oder gerade deshalb kommen bei diesem Buch die Kinder voll auf ihre Kosten! Sie werden sich königlich amüsieren, weil „dieses Buch Erwachsene dazu bringt, dumme Sachen zu sagen“. Aber der Reihe nach…
Schau, ein Haus mit einer blauen Tür!
Mal sehen wer da wohnt.
Wir klopfen einfach an.
Klopf, klopf!
Na, wer wird da nicht neugierig, was sich hinter der blauen Tür verbirgt? Also erst anklopfen – und dann die Tür öffnen. Eben die Seite umblättern. Und schon finden wir uns in einem blau gestrichenen Raum wieder, in dem sich so Einiges entdecken lässt.
„Das hier ist Willi Wiberg, fünf Jahre alt.“ So fangen sie an, die Geschichten um den Jungen Willi. Er hat einen Vater, eine Katze, Cousins und eine beste Freundin. Ein ganz normaler Junge also, in dessen Kinderwelt uns Gunilla Bergström eintauchen lässt.
Es sind die ganz alltäglichen Ereignisse in Willis Leben, seine Wünsche, Ängste, Vorlieben, die wir kennen lernen. Bergström erzählt ganz lebensnah und aus Willis Sichtweise. Zum Beispiel von Willis unsichtbarem Freund Alfons, davon, wie Papa zuerst nicht mit Willi spielen will, es dann aber doch tut, wie lange es dauern kann, bis Willi am Abend ins Bett geht und einschläft oder wie er ganz clever den älteren Cousins beweist, dass er doch nicht mehr sooo klein ist.
Es drängt sich einem nicht auf. Es kommt ganz schlicht daher. Das schwarze Buch der Farben. Es ist ganz einfach schwarz. Sogar die Bilder sind schwarz. Auf schwarzem Grund. Aber man kann sie erfühlen: Federn, Erdbeeren, Regentropfen...
Farben sehen wir nicht in diesem dunklen Buch. Genau, wie blinde Kinder Farben nicht sehen können. Und doch gibt es in ihrem Wortschatz „grün“ und „rot“ und „blau“. Und hinter diesen Farbwörtern stecken auch für nicht-sehende Kinder tiefe Bedeutungen.
Man regt sich ja schon mal auf. Über den ein oder anderen. Ganz schön nerven kann der einen! Unmöglich. Das ist doch die Höhe! Der da, das ist doch wirklich ein – ein – ein... Ach, oft fehlen uns die Worte, die unseren Unmut ausdrücken. Nicht irgendwelche, nein, andere, besondere, noch nie dagewesene. Dann wirken sie vielleicht besser.
Bei dieser Suche kann unserem Wortschatz geholfen werden: mit dem Schimpfwörter-ABC. Hier werden wir von A bis Z fündig. Vielleicht nehmen wir den Missmutigen Muffel-Maulwurf? Oder den Fleckigen Fussel-Frosch?
Bei den jungen wilden Tieren taucht ein eigenartiger neuer Mitbewohner auf: eine Fledermaus. Doch die ist so ganz anders als Elefant, Löwe und Co und hat sehr seltsame Ansichten. Als Begrüßungsgeschenk wünscht sie sich einen Regenschirm, damit ihre Füße nicht nass werden. Völlig plemplem, finden die anderen Tiere!
Erst die weise Eule bringt Verständnis für die Fledermaus und ihre Weltsicht auf und leitet die jungen wilden Tiere dazu an, ganz wörtlich die Perspektive der Fledermaus einzunehmen.
„Noch 10 Minuten, dann ab ins Bett.“ Sagt Papa. Doch bis dahin gibt es ja noch soo viel zu erleben und zu entdecken. Denn der Hamster des kleinen Jungen bekommt Besuch. Die reinste Hamsterparty startet – doch der Countdown läuft. „Noch 9/8/7... Minuten, dann ab ins Bett“!
Peggy Rathmann erzählt in lebhaften, detailreichen Bildern eine wundervolle Geschichte, in der wir Erwachsenen nichts verloren haben. Vielmehr zeigt sie, wie lang der Weg vom Wohnzimmer über die Küche und das Bad bis ins Bett in (Kinder-) Wirklichkeit ist...
Bücher mit gereimten Texten gibt es zuhauf. Das besondere an diesem Buch ist, dass die Verse unvollständig sind. Reimen müssen die Kinder nämlich selber!
„Schwimmen Haie im Gewässer, bleib an Land, das ist viel...“
Dieses Buch ist also beileibe keines, bei dem man sich gemütlich zurücklehnen und vom Vorleser berieseln lassen kann. Nein, stets wachsam muss man sein – und immer mitdenken.
Was geschieht, wenn ein Papagei sich als Geist verkleidet? Wenn eine Hummel so dick wird wie eine Melone? Wenn ein Elefant einmal eine Fee sein möchte? Es entstehen hinreißende Bilder – und urkomische Wortschöpfungen!
Isabel Pin lädt uns ein, ihre Zeichnungen als Wörterrätsel zu verstehen. Der Papagei-Geist wird zum „Papageist“, die Hummel-Melone zur „Hummelone“ und der Fee-Elefant zum „Feelefant“.
Mit „Was ist das?“ erfragen sich Kinder ihre Welt. Wollen herausfinden, wie was heißt und bringen so Ordnung in die Dinge, die sie umgeben. Antje Damm stellt diese Frage 22 Mal und verblüfft mit 22 kreativen Antworten.
Auf jeder Seite findet sich ein Foto, beim Umblättern führt eine kleine Veränderung des Bildes zu einer völlig neuen Bedeutung. So wird aus der Scheibe Brot eine kleine Maus (mit Gurkenohren und Schnittlauchschwanz). Zwei Blätter werden zu den Flügeln eines Vogels. Wenn man so will, ein Rätsel-Buch für die Kleinsten!
Wie ist das, wenn ein Schwein mit dem Zug fährt? Kathrin Schärer weiß es am Anfang ihres Buches auch noch nicht. Mit einem leeren Blatt beginnt sie, zeichnet zunächst einen Zug und nach und nach seine tierischen Fahrgäste.
„Ich zeichne einen langen Zug, einen Zug mit vielen Wagen.
Ist das schon eine Geschichte?“
„Auf der bunten Blumenwiese
geht ein buntes Tier spazieren,
wandert zwischen grünen Halmen,
wandert unter Schierlingspalmen...“
Ein kleines Tier rätselt das ganze Buch lang über seine Identität. Und kommt am Ende zu dem Schluss, dass es etwas ganz Eigenes ist, anders als die anderen Tiere, eben also ein „Ich-Bin-Ich“. Das tut es nun schon seit über 40 Jahren mit solch wundervollem Sprachklang, dass ich es in diesem Rahmen unmöglich unerwähnt lassen kann.
Mit dem Buch „Der kleine Drache: Eine Geschichte von Freundschaft und chinesischen Schriftzeichen“ begeben wir uns mitten hinein in den chinesischen Alltag. Das Mädchen Lin bekommt einen Drachen geschenkt, der für allerlei Unruhe sorgt und aus lauter Wut von ihrem Vater verjagt wird. Daraufhin begibt sich Lin auf eine abenteuerliche Suche nach ihrem geliebten Gefährten, mit dem sie am Ende wieder glücklich vereint ist.
Die Bilder zu der Geschichte sind nicht beliebig gemalt, sondern verinnerlichen auf geniale Weise chinesische Schriftzeichen. Die Zeichen selber sind zentrale Bestandteile dessen, was sie bedeuten. Die Bäume und der Wald bestehen aus den entsprechenden Schriftzeichen, Lin selber, ihr Mund, der sich ganz eckig öffnet, als sie nach dem Drachen ruft...
Der „Ginpuin“ ist eine wunderschöne Geschichte über einen, der etwas anders war als alle anderen und in die Fremde zog. Doch das Heimweh treibt ihn zurück in seine Welt aus Eis und Schnee, wo er mit offenen Armen empfangen und nun erst voll und ganz in die Gemeinschaft aufgenommen wird.
Die Rede ist von einem Pinguin, der rein äußerlich allen anderen Pinguinen gleicht. Doch verdreht er unabsichtlich so manches Wort. Aus den Schwimmflossen werden Flimmschwossen, aus der Eisscholle eine Scheißolle – Wort-Schöpfungen, die die anderen Pinguine vor Lachen von den Eisschollen rutschen lassen. Folgerichtig erhält der wortverdrehende Pinguin seinen Namen: aus dem Pinguin wird der Ginpuin.